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04. April 2007
Ehemaliger Unnaer Superintendent Präses Alfred Buß wird 60
Bielefeld (epd). Der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen und ehemaliger Superintendent des Kirches Unna, Alfred Buß, wird am Freitag 60 Jahre alt.Der Theologe war im November 2003 als Nachfolger von Manfred Sorg für acht Jahre an die Spitze der viertgrößten deutschen Landeskirche gewählt worden. Er war zuvor Superintendent des Kirchenkreises Unna am östlichen Rand des Ruhrgebiets. Buß ist auch Vorsitzender der Kommission für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der aus Ostfriesland stammende Buß war nach Studium und Vikariat zunächst Studienleiter beim Evangelischen Studienwerk Villigst und anschließend 13 Jahre Pfarrer einer Bergarbeitergemeinde in Unna. Ab 1988 leitete er die regionale Arbeitsstelle der westfälischen Kirche für den Ruhrgebiets-Kirchentag 1991. Von 1992 bis 1994 war er Berufsschulpfarrer und wurde dann zum Superintendenten gewählt. Buß ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Als Präses ist er oberster Repräsentant von rund 2,66 Millionen westfälischen Protestanten.
Theologe mit Tiefgang und Anwalt der Schwachen
Auf dem beschwerlichen Reformweg der Kirche lenkt Alfred Buß den Blick gern nach vorn. "Neues wächst auf", sagt der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Trotz Mitgliederschwunds und Finanzkrise, trotz der Aufgabe von Kirchen und Pfarrstellen vertreibe daher am Ziel Freude die Trauer. Seit gut drei Jahren steht der bodenständige Theologe, der menschliche Wärme und eine gelassene Frömmigkeit ausstrahlt, nun an der Spitze der viertgrößten deutschen Landeskirche. Am Freitag wird er 60 Jahre alt.Das Evangelium weitergeben und sich in der Welt einmischen: So beschreibt Buß den Kernauftrag der Kirche. Er selbst hat sich dabei profiliert als jemand, der auch politisch das Wort ergreift und Position für die Schwachen bezieht. "Die christliche Vision der Gesellschaft ist eine, in der jede und jeder einen Platz hat und niemand verloren geht", betont der bärtige Zwei-Meter-Hüne. Buß vertrete eine Kirche, "die sich als Anwältin der kleinen Leute versteht", sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber. So stand Buß im Oktober 2004 an der Seite der 20.000 Opel-Arbeiter in Bochum, die aus Angst um ihre Jobs vor den Werkstoren protestierten, und mahnte: "Das Schicksal der Menschen darf uns nicht kalt lassen."
Nach dem Amoklauf an einer Realschule in Emsdetten im vergangenen November fuhr Buß, selber Vater von drei erwachsenen Kindern, hin und feierte mit den Familien einen Gottesdienst. An Weihnachten besucht er Menschen, die arbeiten müssen. Wenn der Sohn eines ostfriesischen Bauern öffentlich die Stimme erhebt, geht es meist um Gott und Geld, Reichtum und Armut: gegen Mehrwertsteuererhöhung und für Reichensteuer, gegen die "Ökonomisierung der Gesellschaft" durch unbegrenzte Ladenöffnung, für gleiche Bildungschancen von sozial Benachteiligten. Als Vorsitzender der EKD-Kommission für Migration und Integration sparte er zuletzt nicht mit Kritik am Zuwanderungs-Kompromiss der Parteien, der von einem Geist der Abwehr gegenüber Flüchtlingen geprägt sei.
Das Ohr am Puls der Zeit
Bei allem Reden gehe es ihm nicht um Effekthascherei, sondern um das Wohl und das Heil der Menschen, sagt Bischof Huber. Buß habe das Ohr am Puls der Zeit, ohne dem Zeitgeist zu huldigen, urteilen Beobachter. Er nehme sich die Zeit, viele Texte - vor allem theologische - selbst zu schreiben. Das Ergebnis ist selten die Mehrheitsmeinung. In der RAF-Debatte etwa vertrat er die unpopuläre Haltung, dass Begnadigung nicht von Reue abhänge. Von Politikern will er die Kirche nicht als Agentur für Werte vereinnahmen lassen, nennt Werte beliebig und betont stattdessen die von Gott geschenkte Menschenwürde. In der Debatte über die Kirche der Zukunft schreckte Buß letztes Jahr viele mit der Vision auf, kirchliche Bistros könnten als quirlige Mittelpunkte in strukturschwachen Gebieten Post, Brötchen und Zeitungen anbieten.Konkrete Ideen und Schritte sind ihm lieber als wohlfeile Wahrheiten - auch in Ökumene und interreligiösem Dialog. So vereinbarte er mit den Bistümern Paderborn und Münster Leitlinien für ökumenische Gemeindepartnerschaften, in Bielefeld besuchte er als erster westfälischer Präses die alevitische Gemeinde.