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Stadtkirche Unna: Von welcher Seite man sich der Kreisstadt Unna auch nähert, immer hat man einen Blick auf das prägende Wahrzeichen der Stadt Unna - die Ev. Stadtkirche. Eine Kirche mitten in der Stadt, gleich neben dem Alten Markt. Eine gotische Hallenkirche von schlichter Schönheit und Eleganz. Das dreijochige Langhaus wurde vermutlich nach 1322 errichtet, der Chor nach Weiheinschrift 1389 begonnen und 1396 vollendet. Der mächtige Westturm, der in das Mittelschiff einbezogen ist und in Mauerstärke aus der Westfront hervortritt, wurde 1407 bis 1467 erbaut. Der Turmhelm wurde mehrfach zerstört, er erhielt seine jetzige Gestalt 1863. Von 2018 bis 2022 wurde die Kirche aufwendig saniert.

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Archiv

02. Februar 2010

Der Fall "Schlecker" - Podiumsdiskussion in Fröndenberg

Hier die Ansprache von Pfarrer Hartmut Görler (ev. Kirchengemeinde Fröndenberg und Bausenhagen) anlässlich der Podiumsdiskussion in Fröndenberg zu den Geschäftspraktiken der Firma Schlecker:     Meine Damen und Herren,   ich gebe zu: das ist für mich eine neue Rolle, zwischen Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern aufzutreten und das Wort zu ergreifen. Gleichzeitig frage ich mich: warum ist das so? Vielleicht weil ich persönlich viel zu lange viel zu harmlos und  unverbindlich war, viel zu sehr mit mir selbst und mit meinen Angelegenheiten beschäftigt.   Vielleicht weil wir als Kirchengemeinde, als Kirche und als Christen in der Vergangenheit in der öffentlichen Diskussion viel zu zurückhaltend waren. Dabei haben wir doch, die wir versuchen, unser Leben auf der Grundlage der Lehre Jesu Christi zu gestalten, nun wahrlich etwas zu sagen in der Wertediskussion der heutigen Zeit.   Aber vielleicht ist diese kleine Randbeobachtung symptomatisch für die gesellschaftliche Situation insgesamt. Ich beobachte zusehends eine Die-Hände-in-der-Hosentasche-Haltung. Ich könnte dieses Verhalten auch "Da-kann-man-nichts-machen" Haltung  nennen. Die Verantwortung für größere Zusammenhänge wird auf die Politiker  delegiert. Die Wahlbeteiligung geht zurück. Die Mitgestaltung bei den Entscheidungsprozessen wird oft abgelehnt. Und Parteien, Gewerkschaften oder Bürgerinitiativen haben allesamt schon  bessere Zeiten erlebt. Das ist fatal und zutiefst gefährlich. Wissen Sie, bei der Diskussion um die Klimaschutzkonferenz ist mir das besonders aufgefallen. Viele Menschen haben gespannt die Berichte verfolgt und haben später die Ergebnisse verurteilt. Mit Recht. Aber wenn wir Bürgerinnen und Bürger die Ärmel hochkrempeln würden und unserem Lebensstil eine neue ökologische Richtung geben würden, dann könnten letztendlich die Mächtigen der Welt beschließen, was sie wollten. Die Welt würden wir verändern.   Ähnliches gilt auch für die leidige Schlecker-Diskussion. Ich persönlich glaube, dass die Zeit vorbei ist, um die Hände in der  Hosentasche zu belassen oder achselzuckend zuzuschauen und zu sagen: Da  kann man nichts machen. Natürlich können wir was machen. Wir können uns informieren. Wir können unsere Meinung kundtun. Wir können uns einmischen. Wir können unser Kaufverhalten verändern. Und so weiter und so fort.   Wir als Kirchengemeinde haben einen Brief an die Firmenleitung geschrieben und ihn in Form eines Leserbriefes öffentlich gemacht. Das mag der Grund gewesen sein, warum Herr Streich mit in die Vorbereitungen dieses Abends einbezogen hat. Und ich finde das gut. Wir brauchen mehr denn je neue Koalitionen, um  das gesellschaftliche Leben in einer guten Weise zu gestalten. Und warum nicht Gewerkschaft, Parteien und Kirche?   Wenn ich mir nun die Geschäftspraktiken der Firma Schlecker anschaue, dann muss ich zunächst einmal feststellen, dass nach meinem Wissen rechtlich gesehen dem Konzern kein Vorwurf gemacht werden kann. Das Haus Schlecker beruft sich auf die gegenwärtige Rechtssprechung und nutzt dabei geschickt eine gesetzliche Lücke aus. Aber genau das wirft für mich die entscheidende Frage auf. Nämlich was ist gut und richtig? Die klassische ethische Frage übrigens. Was macht wirtschaftliches Handeln, was macht politisches Handeln, was macht kommunalpolitisches Handeln und was macht mein persönliches Handeln gut und richtig? Wer sich diese Frage nicht stellt, lebt oberflächlich. Er steigt aus aus dem notwendigen Miteinander der Generationen aus. Er steigt auch aus der Verantwortung für die eine Welt aus, die wir haben. Und ich sage es hier ganz offen: es ist eben nicht automatisch gut und  richtig, was gesetzlich erlaubt ist. Und es ist selbst in der Wirtschaft nicht immer automatisch gut und richtig, was gewinnbringend ist oder die Firma nach vorne bringt. Und es ist auch nicht automatisch gut und richtig, was hier in unserer kleinen Welt den Wohlstand sichert, während andere Menschen in der so genannten Dritten Welt dadurch mehr und mehr zu kurz kommen.   Ich persönlich sehe in der Bibel drei ethische Grundsätze, die unumstößlich sind. Der erste Grundsatz lautet: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Das,  was dem Menschen dient. Das, was ihn fördert, das, was seiner Würde  entspricht, muss Maß aller Dinge sein.   Der zweite Grundsatz lautet, dem Schöpfungsbericht entnommen: Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Die Bewahrung der Schöpfung muss neben der Bewahrung der Menschenwürde eine zweite Messlatte unseres politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Handelns sein.   Und der dritte Grundsatz, den kann ich aber nicht fordern, zu dem kann ich nur einladen: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Gebe ich mit meinem Leben Gott die Ehre? Mache ich ihn groß, mit dem, was ich rede und tue, denke und unterlasse? Was dem Menschen dient, hier und auf der ganzen Welt. Was der Natur dient, hier und auf der ganzen Welt. Und was Gott dient, das sind für mich drei uralte und zugleich  hochmoderne Prinzipien menschlichen Handelns.   Ich möchte ein weiteres Bibelzitat zur Diskussion stellen. Im dritten Buch Mose nämlich, Kapitel 19, finden wir Erläuterungen und Konkretionen zu den Zehn Geboten. Dort es heißt, und ich lese zunächst  Vers 9: "Wenn du dein Land aberntest, sollst du nicht alles bis an die Ecken deines Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese halten. Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der Herr, euer Gott".   Wenn ich diese Worte auf die heutige Zeit übertrage, dann heißt das für mich: Gott widerspricht einer schier grenzenlosen Gewinnoptimierung der Konzerne. Er mahnt dagegen eine Begrenzung Gewinnerwirtschaftung an zugunsten der Ärmsten der Armen und, interessanterweise, der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Und in demselben Kapitel, Vers 13, heißt es: "Du sollst deinen Nächsten nicht bedrücken noch berauben. Es soll des Tageslöhners Lohn nicht bei dir bleiben bis zum Morgen". Gott will, dass den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern ein solcher Lohn ausgezahlt wird, der zum Leben reicht, und dieser Lohn  soll nicht verzögert, sondern fristgerecht ausgezahlt werden.   Merken Sie, die Prinzipien und ethischen Richtlinien, was dem Menschen dient und Gott heiligt - das ist nämlich die Überschrift des Ganzen - diese Prinzipien werden hier sehr konkret. Wir tun manchmal so, selbst in der Kirche, als wüssten wir gar nicht, was Gott heute von uns will.  In vielen Fragen ist das sicherlich sehr schwierig. Das ist gar keine Frage. Aber das darf uns nicht davon abhalten, immer wieder danach zu fragen, was die Bibel zu heutigen Fragen und Problemfeldern zu sagen hat. Und manchmal, manchmal gibt es überraschender Weise sogar recht konkrete Anklänge und Hinweise.   Und von daher stehe ich heute Abend hier und bitte den Konzern Schlecker zu überprüfen, ob sein Handeln nicht nur legal, sondern vor allem ethisch gut und richtig ist. Ich bin kein Wirtschaftsexperte, aber mein vorläufiger Eindruck ist, dass bei den Entscheidungen der Firma Schlecker die Gewinnoptimierung im Vordergrund steht und das Wohl der Angestellten in den Hintergrund rückt. Und was das Bibelwort mit den Tageslöhnern angeht, so scheint mir, dass nicht nur bei Schlecker, sondern auch bei vielen anderen Konzernen erstens die Gehälter oft so niedrig sind, dass sie dem Lebensnotwendigen  nicht mehr entsprechen, und zweitens diese dann auch noch zeitverzögert und damit zum Nachteil der  Arbeitnehmer ausgezahlt werden.   Mein Appell richtet sich heute Abend allerdings nicht nur an die Firma Schlecker sondern auch an die vielen anderen Unternehmen, die eine ähnliche Geschäftspraxis haben. Ich wende mich aber auch an die Stadt Fröndenberg, selbstkritisch an meine eigene Kirche, an meine eigene Gemeinde. Letztendlich frage ich Sie und mich: Handeln und entscheiden wir so, dass wir damit anderen Menschen dienen, sie fördern und in ihrer Würde stärken? Handeln und entscheiden wir so, dass wir damit die wunderbare Schöpfung  achten und bewahren? Und handeln und entscheiden wir so, dass wir damit Gott die Ehre geben? Denn vergessen Sie nicht, wer mit dem Finger auf andere zeigen, der erlebt, dass drei Finger auf einen selbst gerichtet sind.