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Die Stiftskirche Fröndenberg wurde ab 1230 als Klosterkirche eines Zisterzienserinnenklosters gebaut. Sie war von Anfang an mit dem märkischen Grafengeschlecht von Altena verbunden und wurde als Grabeskirche genutzt. Das Kirchenschiff selber wurde damals vom „normalen“ Volk genutzt. Der Bereich unter der Empore wurde lange als eine Art Krypta ausgewiesen. Hier fanden z.B. einige Grafen von der Mark, aber auch Äbtissinnen ihre letzte Ruhestätte (z.B. Graf Otto – 1262, Graf Engelbert – 1391). Nach gut 200 Jahren Klostertätigkeit wurden die Klosterregeln allmählich aufgegeben. Die Einrichtung wurde zu einer Versorgungsstätte für Töchter des südwestfälischen Hochadels. Der Marienaltar im Seitenschiff der Stiftskirche ist in seiner Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen. Er ist um 1400 entstanden und wird Konrad von Soest zugeschrieben. Er erzählt einen Marienzyklus und setzt damit kirchliche Legendenbildung und biblisches Material in Farbe um. Der Reichsadler auf dem Altar mit den Initialen FR für Friedericus Rex (Preußenkönig Friedrich) erinnert an die Fürsorgeflicht Preußens gegenüber der Stiftskirche seit der Säkularisation von 1803. Die Kirche gehört bis heute dem Land Nordrhein-Westfalen in der preußischen Rechtsnachfolge.

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Archiv

10. November 2007

"Nur wer sich erinnert, kann für die Zukunft lernen."

Ansprache von Superintendentin Annette Muhr-Nelson zum Gedenken an die Pogrom-Nacht, 10.11.07, Fröndenberg  Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Vor mehr als 20 Jahren entdeckte eine Frankfurter Bürgerin bei der Sanierung ihrer Wohnung hinter der Wandverkleidung ein Konvolut von Zetteln, Briefen und Bescheiden. Dadurch kam per Zufall ans Licht, dass 1941/42 zwei Verfolgte über ein Jahr lang in ihrem stilvollen Wohnzimmer gelebt haben: Elise und Meier Grünbaum, zugezogen aus Wiesbaden. Als der heutigen Wohnungseigen-tümerin die Geschichte der Grünbaums vor die Füße fiel, hat sie in ihrem Schreck alles nur überflogen. Sie hat gemerkt, dass es sie zu sehr packt. Daraufhin kamen die Papiere in einen blauen Sack und sie brachte sie in den Keller. Erst als sich im Sommer dieses Jahres die Initiative Stolpersteine an die Hausbewohner wandte, rückte sie raus damit: "Ich hab da was im Keller." Und dann hat es sie gepackt. Dutzende verfallender Seiten Papier, zerbröselnde Fotos, hat sie mit ihrem Pinsel entstaubt, hat die Dokumente studiert, sortiert, gestapelt und zugeordnet. So hat sie die Geschichte der Grünbaums so gut es ging rekonstruiert. Sie überlegt oft, warum das alte Ehepaar damals nicht ausgewandert ist wie viele ihrer Verwandten und Freunde. Ihre Ahnung ist: "Man konnte wohl einfach nicht glauben, was kommt."
Die Geschichte der Grünbaums gehört wie die Geschichte der Neufelds und der Bernsteins, der Silberbergs und der Eichengrüns der Vergangenheit an. Aber wir dürfen sie nicht dem Vergessen anheim geben. Darum sind wir heute hier. Am 9. und 10. November 1938 wurden in Fröndenberg - wie überall im deutschen Reich - jüdische Mitbürger entrechtet, gedemütigt und geschlagen, ihr Eigentum vernichtet, ihre Gräber geschändet und ihre Lebensgrundlage zerstört. - Und das war erst der Anfang...
Wir sind hier, um uns zu erinnern. Auf diesem Friedhof wurden vor 69 Jahren die Gräber geschändet. Und die jüdischen Familien, die hier lebten, sind alle verfolgt und vertrieben worden, manche waren schon vor der Pogromnacht ausgewandert. 
Sich an sie zu erinnern, bedeutet zweierlei:
Zum einen bekennen wir uns damit zu unserer Vergangenheit und zu den Taten unserer Väter und Mütter: Die Geschichte unseres Volkes ist auch unsere Geschichte. Wir blenden die Schuld nicht aus, sondern bekennen uns dazu. Nur so ist ein neuer Anfang, ist neues Leben möglich. Unser christlicher Glaube wurzelt in der jüdischen Tradition. Und gerade in ihr ist der Begriff der Buße und Umkehr ein ganz zentraler.
"Du, Gott, vergabst und warst gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte." Das ist die Tageslosung für den heutigen Tag. Sie ist ein zentrales Bekenntnis des Judentums. Unser Gott, an den wir gemeinsam glauben, ist ein Gott der Liebe und Gnade. Darum sind Umkehr und Neuanfang möglich. Ja, nur so ist menschliches Leben vor Gott überhaupt denkbar: als Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld und als Hinwendung zu Gott.
Dass wir selbst mit der großen Frage der Schuld am jüdischen Volk mit hineingenommen sind in Gottes große Güte - das ist für mich der Inbegriff von Gnade.
So packt die Erinnerung an unsere verschwundenen jüdischen Mitbürger mich selbst, ganz existentiell, und bewegt mich zutiefst, indem sie mein Fragen nach Schuld und mein Suchen nach einem gnädigen Gott aufwühlt.
Auch für eine Gesellschaft ist es  existentiell wichtig nach ihrer Schuld zu fragen und Vergebung zu erbitten. Wo sie das nicht tut, wird sie unmenschlich.  Dieser Friedhof und die geplante Verlegung der Stolpersteine und andere Aktivitäten sorgen dafür, dass dies hier geschieht. Dafür sei dem Arbeitskreis "Spuren jüdischen Lebens in Fröndenberg" herzlich gedankt.
Erinnerung bedeutet auch, für die Zukunft zu lernen. Wenn wir hier die Erinnerung an unsere jüdischen Mitbürger wach halten, dann strafen wir all diejenigen Lügen, die meinen, das müsste doch jetzt mal endlich Vergangenheit sein. Diese Mentalität ist gefährlich. Sie bietet einen fruchtbaren Boden für rechtsnationale und rechtsradikale Gruppen und Parolen. In NRW sind wie in Gesamtdeutschland die Neonazis auf dem Vormarsch. Sie stellen das sehr intelligent an und erreichen auch gut gebildete Mittelschichtskreise. Da reicht bei weitem nicht mehr ein "Wehret den Anfängen!" Insgeheim haben sich die gefährlichen Gedanken schon mitten unter uns eingenistet. Die Parole "Ausländer raus" ist ja noch leicht zu erkennen. Die subtile Diskriminierung, die unsere ausländischen Mitbürger im Alltag erleben, ist uns oft gar nicht bewusst. Das geschieht beim Busfahren, bei der Wohnungssuche, beim Einkaufen, beim Abschluss einer Versicherung, im Wartezimmer des Arztes, in der Schule, beim Sport, beim Friseur. Deutschland wird zunehmend fremdenfeindlich.
Eine unserer großen Errungenschaften nach dem Krieg war eine Verfassung, in der die Religionsfreiheit fest verankert ist. Genauso wie das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte. Diese beiden Grundsätze müssen wir mit aller Kraft verteidigen, sonst gibt es irgendwann wieder das Verschwinden von Mitbürgern aus unserer Mitte zu beklagen. Und diesmal heißen sie dann Öksel und Yündüz und Antonova und Ibraimowitsch. 
Sehr geehrte Damen und Herren, nur wer  sich erinnert, kann für die Zukunft lernen. Deutschland ist ein Einwanderungsland - schon seit 50 Jahren. Auch jüdische Zuwanderer kommen inzwischen hierher. Gemeinsam mit ihnen erinnern wir uns an die Geschichte der deutschen Juden. Gemeinsam mit ihnen gestalten wir eine Zukunft, die besser sein soll als die Vergangenheit war!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.